Doping und Prävention

Leben nach Doping – Erasmus+-Projekt „TALE“ untersucht erstmals Auswirkungen von Doping-Verstößen aus Sicht der Athleten

Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen, ob bewusst oder unbewusst, verändern das Leben von Sportler*innen. Das vom Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG) an der Privatuniversität UMIT TIROL geleitete internationale Erasmus+-Projekt „TALE“ untersucht nun erstmals, wie sanktionierte Athlet*innen die komplexen Auswirkungen der Verstöße wahrnehmen. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die Erstellung von Anti-Doping-Programmen für sanktionierte Sportler*innen und werden in Anti-Doping-Programmen für junge Athlet*innen integriert.

Doping ist wohl so alt wie der Sport – schon im Altertum putschten sich Athlet*innen zu Höchstleistungen. Waren es anfangs natürliche Substanzen wie Stierhoden oder Fliegenpilzextrakte, kommen seit Beginn des 20. Jahrhunderts vorwiegend chemische Substanzen zum Einsatz. Viele Sportler*innen riskieren dabei ihre Gesundheit, einige verloren dabei ihr Leben. Die gesundheitlichen Folgen, der Verstoß gegen die generellen Werte des Sports und der damit einhergehende Imageverlust führten 1999 zur Gründung der World Anti-Doping Agency (WADA), um die Anti-Doping-Arbeit im Sport weltweit zu fördern, zu koordinieren und zu überwachen – und Vergehen gegen die Anti-Doping-Bestimmungen zu bestrafen.

Auswirkungen von Doping-Sanktionen auf das Leben der Sportler*innen bislang nur wenig untersucht
„Der weltweit gültige Anti-Doping-Code umfasst elf Kategorien, nur eine befasst sich mit der Einnahme verbotener Substanzen. Verstöße gegen diesen Code können vorsätzlich, aber auch ohne Absicht erfolgen. Auch müssen Verstöße nicht immer etwas mit einer Betrugs- und bzw. oder Gewinnabsicht zu tun haben“, sagt Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Cornelia Blank vom ISAG an der UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie. „Athlet*innen, die gegen die Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen, können aber unter anderem ihren Sport, ihren Beruf über eine bestimmte Zeit, eventuell ihr Leben lang nicht mehr ausüben.“ Im Bereich der Anti-Doping-Forschung wurden diese Auswirkungen der Sanktionen auf das private und öffentliche Leben der Sportler*innen bislang nur wenig untersucht, obwohl sanktionierte Athlet*innen im „International Standard for Education“ der WADA als obligatorische Zielgruppe für Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen genannt werden. Zwei internationale Projekte befassen sich nun – unter der Führung des ISAG an der UMIT TIROL – mit diesem „Leben nach Doping“: Das Projekt „TALE“ wird über das Erasmus+-Programm der EU gefördert, das Projekt „What about us“ über den WADA Social Science Research Grant. Die Ergebnisse sollen in Anti-Doping-Programmen für junge Athlet*innen integriert werden, aber auch als Grundlage für die Erstellung von Anti-Doping-Programmen für sanktionierte Sportler*innen und deren mögliche Reintegration in die Sport-Community dienen.

Internationales EU-Projekt TALE
„Die verschiedenen Fördergeber decken unterschiedliche Aspekte des Gesamtprojekts ab und ermöglichen uns mit einer größeren Anzahl von Athlet*innen zu sprechen und damit eine differenzierte Sichtweise zu erhalten“, berichtet ISAG-Mitarbeiterin Blank, die in einem Vorprojekt mit Institutsmitarbeiterin Daniela Lux, MSc einen Interviewleitfaden zum Thema „Leben nach Doping“ entwickelt und getestet hat. Solche qualitativen Interviews, geplant sind rund 60 mit Athlet*innen aus mehr als zehn Ländern, stehen im Zentrum der Projektarbeit. Geführt werden sie von Co-Researchers, die einen Hintergrund als aktive oder ehemalige Leistungsportler*innen haben. „Über die eigene Lebensgeschichte und den Druck während einer Sportkarriere kann man sich besser mit jemanden austauschen, der diese Situation kennt“, ist Projektleiterin Blank überzeugt: „Keiner von uns kann sich vorstellen, was es heißt, jeden Tag für eine Dopingkontrolle erreichbar zu sein, ständig festzuhalten, wo man schläft.“ Parallel zu diesem Arbeitspaket führen Projektkolleg*innen an der Universität Münster Gruppeninterviews mit nicht-sanktionierten Sportler*innen durch, um deren Einstellungen zu Doping, sanktionierten Sportler*innen und den Umgang mit ihnen zu erfahren.

Die ausgewerteten Interviews dienen als Basis, mit der die Sport-Community mittels eines partizipativen methodischen Ansatzes Fragen rund um sanktionierte Sportler*innen diskutiert. „Die Community definiert sich und die Forschungsfragen selbst, wir begleiten den Prozess“, beschreibt Blank den Ansatz von community-based participatory research (CBPR). In einem ersten Schritt definiert eine kleine ausgewählte Gruppe, wer zur Community gehört – beispielsweise sanktionierte und nicht-sanktionierte Sportler*innen, Jurist*innen, Sponsoren, Medienvertreter*innen, Fans etc. Im zweiten Schritt werden Vertreter*innen aus diesen Bereichen eingeladen, die gemeinsam definieren, welche (Forschungs-)Fragen bearbeitet werden sollen, deren Beantwortung schlussendlich in Empfehlungen zum Umgang mit sanktionierten Sportler*innen münden sollen. „Dieser methodischer Ansatz hat den Vorteil, dass am Ende das Commitment der Sport-Community größer ist“, ist Blank überzeugt. Der CBPR-Prozess wird von einer Kollegin an der Eötvös-Loránd-Universität Budapest geleitet. Weiters werden aus den Projektergebnissen Schulungsmaßnahmen für sanktionierte Athlet*innen, aber auch für die Präventionsarbeit im Nachwuchsbereich entwickelt. Geplant ist hier zum Beispiel ein Online-Rollenspiel mit O-Tönen aus den Interviews. „In einem animierten Video werden junge Sportler*innen vor Entscheidungen gestellt, wie sie sich verhalten würden, wenn ihnen z.B. nach einer Verletzung bestimmte Mittel zur schnelleren Regeneration angeboten werden. Wie ihre Geschichte als Sportler*innen weitergeht, hängt von dieser Entscheidung ab“, so Blank abschließend. Die Entwicklung dieser Maßnahmen wird von Kolleg*innen der Nationalen Anti-Doping Agenturen Österreich und Slowenien geleitet.

Ausgezeichnete Expertise der UMIT TIROL
An dem Erasmus+-Projekt TALE (Supporting anti-doping via Transforming Athletes’ Life Experiences after Doping into Education Resources and Policy Recommendations) sind die Privatuniversität UMIT TIROL sowie die Universität Münster (Deutschland), die Eötvös-Loránd-Universität Budapest (Ungarn) und die nationalen Anti-Doping Agenturen aus Österreich und Slowenien beteiligt. Über die Förderung der WADA sind zudem die Leeds Beckett University und die Kingston University (beide Großbritannien) Partner des Projekts. TALE läuft über drei Jahre und wird mit insgesamt rund 500.000 Euro gefördert. Projektstart war der 1. Oktober 2023, der Startschuss zum von der EU geförderten Teil fällt am 01.Jänner 2024 mit einem Kick-Off-Event aller Partner am 30./31. Jänner 2024 an der UMIT TIROL in Hall.

Die Expertise der Privatuniversität UMIT TIROL in den Bereichen Anti-Doping und Dopingprävention wurde in den letzten 15 Jahren kontinuierlich aufgebaut. Cornelia Blank beschäftigt sich seit ihrer Magister-Arbeit bei Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger, Leiter des Instituts für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus, mit dem Thema Doping. In zahlreichen, unter anderem von der WADA, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), internationalen Sportfachverbänden, der National Anti-Doping Agency Österreich (NADA) sowie dem Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekten wurden unter anderem Wissensstand und Einstellung von (Nachwuchs-)Sportler*innen mit und ohne Behinderung, Eltern und Trainer*innen untersucht sowie Ant-Doping-Programme mitentwickelt und evaluiert. Das Know-how der Forscher*innen fließt auch in die Lehre ein, so etwa in den Zertifikatskurs „Anti-Doping und Dopingprävention“.

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